10. Spieltag: RB Leipzig - 1.FC Nürnberg - oder: zu Gast in der heimlichen Fußballstadt

Wenn am Sonntag das zweite Vierteljahrhundert nach der deutschen Wiedervereinigung beginnt, führt uns die Reise passenderweise in eine der geschichtsträchtigen Städte der Wendezeit. Die Leipziger Montagsdemos waren eine treibende Kraft der friedlichen Revolution in der DDR, die schließlich in der Öffnung der Grenzen und der Wiedervereinigung Deutschlands mündete.
Da die ganze Red-Bull-Thematik, die nun mal untrennbar mit dem Verein RasenBallsport Leipzig verbunden ist, schon vielerorts lang und breit diskutiert wurde, möchte ich an dieser Stelle lieber kurz die Geschichte von Leipzig als Fußballstadt beleuchten, die untrennbar mit der jahrelangen deutsch-deutschen Teilung verbunden ist.

Obwohl man heute Frankfurt am Main mit dem Sitz des DFB als das Zentrum des deutschen Fußballs kennt, begann die Geschichte des größten nationalen Fußballverbands der Welt am 28. Januar 1900 nicht dort, sondern in Leipzig, wo sich 36 Vertreter von Fußballvereinen zur Gründungsversammlung des DFB in der Gaststätte „Zum Mariengarten“ einfanden.
Nicht nur organisatorisch, sondern auch aus sportlicher Sicht sollte Leipzig zunächst eine zentrale Rolle in Fußballdeutschland zukommen. So konnte sich der VfB Leipzig 1903 als erster offizieller deutscher Fußballmeister in die Geschichtsbücher eintragen. Während man den Titel aufgrund der Absage des Finales 1904 nicht verteidigen konnte, ließ man danach noch zwei weitere Titel 1906 und 1913 folgen. Im Jahr 1914 beendete unser westlicher Nachbar diese Leipziger Ära, indem man sich im Finale gegen den VfB den letzten Meistertitel vor dem 1. Weltkrieg sicherte.

Während sich nach dem Krieg unser Club, unsere Schalker Freunde und der Nachbar aus Fürth zu den Großmächten des deutschen Fußballs aufschwangen, gelang der sportliche Wiederaufbau in Leipzig nicht. Außer ein paar regionalen Meistertiteln blieben die Erfolge zunächst aus. Jedoch schaffte man es 1936, sich nach unserem Club als zweite Mannschaft den 1935 eingeführten Vorläufer des DFB-Pokals - damals noch Tschammer-Pokal - zu sichern.

Nach dem zweiten Weltkrieg sollte sich durch die sowjetische Besatzung vieles ändern. Bürgerliche Vereine wie der VfB wurden aufgelöst und unter anderen Namen (meist als sogenannte BSG = Betriebssportgemeinschaft) neugegründet, und man trat in der ebenfalls neugegründeten DDR-Oberliga an. Hier war die Stadt im wesentlichen durch zwei Vereine vertreten: während der Quasi-Nachfolger des VfB, der 1.FC Lokomotive Leipzig nur drei Vizemeisterschaften erreichte, sich aber viermal den FDGB-Pokal sichern konnte, war der BSG Chemie Leipzig (später FC Sachsen Leipzig) mit zwei Meistertiteln und zwei Pokalsiegen erfolgreich. Meist musste man in der Meisterschaft jedoch der Konkurrenz aus Ost-Berlin oder Dresden den Vortritt lassen.

Nach der Wende wurde versucht, den „Mythos“ des VfB Leipzig durch die Umbenennung des 1.FC Lokomotive wiederzubeleben. Nachdem man sich in der letzten DDR-Oberligasaison für die gesamtdeutsche 2. Bundesliga 1991/92 qualifiziert hatte, gelang 1993 der Aufstieg in die erste Bundesliga. Dort konnte man sich jedoch nicht halten, mit nur drei Siegen musste sich Leipzig wieder vom Erstligafußball verabschieden und stieg als Tabellenletzter direkt wieder ab. Der angestrebte Wiederaufstieg sollte in den Folgejahren nicht gelingen, stattdessen stieg man 1998 in die Regionalliga und zwei Jahre später gar in die Oberliga ab. Doch damit nicht genug, auch finanziell kam man in Schwierigkeiten, und auch der Gang durch das Insolvenzverfahren konnte den Verein nicht retten, sodass der erste deutsche Fußballmeister im Jahr 2004 aufgelöst wurde.

Auch für die anderen Leipziger Vereine sollte die Zeit nach der Wende sportlich unter keinem guten Stern stehen. Der 1.FC Lok, der als Nachfolger des VfB 2003 wiedergegründet wurde kam nie über Regionalliganiveau hinaus, dem Rivalen FC Sachsen erging es jedoch noch schlimmer, dieser wurde 2011 aufgelöst und als SG Sachsen neugegründet, vor der Saison 2014/2015 jedoch wieder aufgelöst.

So galt die durchaus traditionsreiche Fußballstadt Leipzig also lange Jahre ohne eine realistische Aussicht auf Profifußball gewissermaßen als schlafender Riese unter den ostdeutschen Städten, bis sie von Red Bull als Standort für ihr Engagement in Deutschland auserkoren wurde. Nachdem der Getränkehersteller mit seinen Einstiegsplänen bei den Leipziger Vereinen FC Sachsen und Lok abgelehnt wurde, fand er in dem Leipziger Vorort Markranstädt beim dortigen SSV, dessen Spielrecht man übernahm, seine sportliche Heimat. Der Umzug in das zur WM 2006 runderneuerte Leipziger Zentralstadion, dessen Nutzung für den Profifußball auf jeden Fall ein positiver Nebeneffekt der jüngsten Entwicklungen des Fußballs in Leipzig ist, war dann die logische Konsequenz des selbstgesteckten Ziels 1. Bundesliga.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten: obwohl Leipzig gewissermaßen als Wiege des organisierten Fußballs in Deutschland gelten darf, wurde die Stadt mit den Jahren, nicht zuletzt durch die Weltkriege und die Zeit der deutsch-deutschen Teilung, zu einem schwierigen Standort für höherklassigen Fußball. Ob man es auch anders als mit den Red-Bull-Millionen geschafft hätte, den Fußball als Spitzensport in Leipzig wieder zu etablieren, darf daher angezweifelt werden. Über die Art und Weise (Stichwort „Rebranding“) wie das Ganze in den vergangenen Jahren vollzogen wurde kann man natürlich streiten, doch das soll hier im Spieltagsthread nicht das Thema sein.


Der Gegner:

Nicht weniger als der Aufstieg in die 1.Bundesliga ist das Ziel für RB Leipzig, und dafür hat man sich im Sommer natürlich kräftig verstärkt. Vom Schwesterverein aus Salzburg wurden Gulácsi, Ilsanker und Quaschner nach Leipzig entsandt, wo sie wieder mit den aus der Leihe zurückgekehrten Sabitzer und Bruno zusammenspielen. Insbesondere in die Abwehr hat man außerdem investiert: mit den viel umworbenen Halstenberg und Heintz hat man zweitligaerfahrenes Personal geholt, mit Nukan hingegen einen - aus deutscher Sicht - „Nobody“ aus der Süper Lig.
Alles überstrahlt hat jedoch der Transfer von Davie Selke, der sich vorläufig gegen ein weiteres Engagement in der ersten Bundesliga und eine baldige Berufung in die DFB-Elf entschied und stattdessen offenbar dem Ruf des Geldes folgte. Mit erfolgsabhängig acht bis zehn Millionen Euro stellte RB Leipzig damit einen neuen Transferrekord in der 2. Bundesliga auf, der für ein gehöriges Medienecho und nicht zuletzt für Unmut bei den Fans der Traditionsvereine sorgte.
Im Übrigen belegen Leipziger Transfers sechs der acht Spitzenplätze bei den teuersten Neuzugängen der Zweitligageschichte (die beiden anderen Transfers gehen auf das Konto von Hoffenheim), fasst man es weiter verbucht RB außerdem neun der 15 teuersten Transfers. Man sieht also, die finanziellen Möglichkeiten bei RB sind für Zweitligaverhältnisse schier unbegrenzt.

http://www.transfermarkt.de/2-bundesliga/transferrekorde/wettbewerb/L2/plus/?saison_id=alle&land_id=alle&ausrichtung=&spielerposition_id=alle&altersklasse=&leihe=&w_s=&zuab=zu

Neben den teuren Neuzugängen machte im Sommer auch der Abgang von Daniel Frahn Schlagzeilen. So wird es der einzigen wirklichen Identifikationsfigur, die der Verein hatte, verwehrt bleiben, den Weg, den er seit der Regionalliga mitgegangen war, möglicherweise bis in die 1. Bundesliga mitzugehen.

Unser Club:

Auf die zwei recht souveränen Siege gegen Sandhausen und Lautern erwies sich der Club mal wieder als Wundertüte. Aus 65% Ballbesitz wurden zu wenig klare Torchancen kreiert und Bielefeld zum Kontern eingeladen, was uns gepaart mit individuellen Abwehrfehlern mit 0:2 ins Hintertreffen brachte. Dass uns mit einer Energieleistung in den letzten zehn Minuten durch die zwei blitzsaubere Tore von Burgstaller noch ein Unentschieden gelang macht zwar Hoffnung, das Spiel als Ganzes hat jedoch gezeigt dass die Mannschaft noch nicht in allen Belangen reif für den Aufstieg ist. Was nicht ist kann aber noch werden, zumal das Spiel in Leipzig Spiel eins nach der Ära Martin Bader ist, was neben der Ruhe im Verein (insbesondere für René Weiler ) auch neue Handlungsmöglichkeiten in der Winter-Transferphase bringen könnte.


Formkurven:

RB Leipzig

U/S/U/U/U

Nach unserem letzten Gegner Bielefeld hat Leipzig – gemeinsam mit 1860 – mit fünf an der Zahl die zweitmeisten Unentschieden gesammelt. Mit nur drei Siegen aus neun Spielen hinkt man den Aufstiegsambitionen noch hinterher.

1.FC Nürnberg

S/N/S/S/U

Nach der erfolgreichen englischen Woche will man natürlich nach Möglichkeit nachlegen, um mit einem Erfolgserlebnis in die Länderspielpause gehen zu können.

Voraussichtliche Aufstellungen:

RB Leipzig

Coltorti – Teigl, Klostermann, Orban, Jung – Kaiser, Ilsanker – Poulsen, Sabitzer, Forsberg – Selke

Mit Poulsen - für den es bisher eine schwierige Saison war - für Bruno, Teigl für Demme (Ilsanker dafür auf der Doppelsechs) und Jung für Halstenberg hat Rangnick vor dem Spiel gegen 1860 auf drei Positionen im bewährten 4-2-3-1-System umgestellt.

1.FC Nürnberg

Schäfer - Brecko, Hovland, Margreitter, Sepsi - Behrens, Leibold - Schöpf, Möhwald, Burgstaller - Blum

Kirschbaum geriet nach seinem Patzer gegen Bielefeld in die Kritik und ist außerdem angeschlagen, weshalb Schäfer auf einen Einsatz hoffen darf. Margreitter könnte wieder den Vorzug vor dem nicht überzeugenden Bulthuis bekommen.


Wetterinfo:

Bei voraussichtlich angenehmen 19°C ohne Niederschlag zeigt sich der Herbst in Leipzig von seiner schönen Seite!


Mein Tipp:

Trotz holprigem Start bleibt RB Leipzig der absolute Favorit auf den Aufstieg und wird der erwartbar schwere Gegner sein. Ein Unentschieden ist für uns aber drin, daher tippe ich auf ein 1:1.


In diesem Sinne, auf ein gutes, faires und für uns hoffentlich erfolgreiches Spiel!

Auf geht's Nürnberg!
This contribution was last edited by Hagenauer on Oct 1, 2015 at 8:43 AM hours